ESG

Der europäische „Green Deal“

Seit März 2021 treten sukzessive neue regulatorische Vorgaben zur Nachhaltigkeit in Kraft. Sie setzen unter anderem den europäischen „Green Deal“ und den Aktionsplan „Nachhaltiges Wachstum“ um. Das neue Regelwerk wird Realwirtschaft und Finanzindustrie dauerhaft verändern – seine Bedeutung für die (gesamte) Wertschöpfungskette kann nicht unterschätzt werden. Wir stellen die neue Regulatorik hier vor.

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Harmonisierte Offenlegung

Kernelement der Reform ist eine harmonisierte Nachhaltigkeitsoffenlegung. Nachhaltigkeitsinformationen werden v.a. beim Vertrieb von Finanzinstrumenten, im Rahmen des Jahresabschlusses und künftig auch über die Vergabe von "Labels" (z.B. ECO Label oder EU Green Bond Standard) vermehrt und detaillierter kommuniziert mit dem Ziel, Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzulenken und die Wertschöpfungskette zu beeinflussen. 

Das Regelwerk setzt damit primär auf wirtschaftliche Anreize. So ist auf die fehlende Nachhaltigkeit von Finanzprodukten hinzuweisen. Wer mit dem künftigen EU ECO-Label oder EU Green Bond Standard werben möchte, muss entsprechend aufgestellt sein. Im Rahmen der Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung werden Institute ab dem 2. August 2022 verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abzufragen.  

 

Freiwilligkeit der Nachhaltigkeit

Die Taxonomie- und die Disclosure-Verordnung begründen keine Verpflichtung zum nachhaltigen Wirtschaften – weder für die Finanzindustrie noch die Realwirtschaft. Das neue Regelwerk setzt jedoch - primär über Offenlegungsvorschriften - entsprechende Anreize.

Ökologische Nachhaltigkeit

Die Taxonomie-Verordnung konkretisiert den Begriff der ökologischen Nachhaltigkeit. Technische Bewertungskriterien legen detailliert fest, wann und in welchem Umfang eine Wirtschaftstätigkeit tatsächlich „grün“ ist. Dies soll „Greenwashing“ vermeiden, also die Vermarktung eines Finanzprodukts als umweltfreundlich, obwohl es grundlegenden Umweltstandards nicht entspricht. 

Die Mitgliedstaaten und die Europäische Union können bestimmen, in welchen Bereichen der Nachhaltigkeitsbegriff der Taxonomie-Verordnung Anwendung finden soll. Aktuell ist dies u.a. für den EU Green-Bond Standard und das EU ECO Label geplant. Finanzprodukte, deren Wirtschaftstätigkeiten den Vorgaben der Taxonomie-Verordnung entsprechen, sind ökologisch nachhaltige Investitionen nach Art. 9 Disclosure-Verordnung. Parallel werden Unternehmen verpflichtet, in ihrer nichtfinanziellen Erklärungen Kennzahlen zur ökologischen Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeiten zu veröffentlichen.

Die Taxonomie-Verordnung definiert die ökologische Nachhaltigkeit einer Wirtschaftstätigkeit umfassend unter Berücksichtigung positiver und negativer Auswirkungen von Wirtschaftstätigkeiten auf Umweltziele. Bestimmt wird insoweit der Grad (prozentualer Umfang), in dem eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Der Nachhaltigkeitsbegriff der Disclosure-Verordnung geht weiter: er umfasst auch die soziale Nachhaltigkeit, die mit der ökologischen Nachhaltigkeit in einen Zielkonflikt treten kann. Die Disclosure-Verordnung findet auf nachhaltige und nicht nachhaltige Finanzprodukte Anwendung - mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen. Sie differenziert unterschiedliche Qualitätsstufen der Nachhaltigkeit. 

Insight

Unter einem Nachhaltigkeitsrisiko versteht man nicht, ob eine Investition oder Wirtschaftstätigkeit tatsächlich „grün“ oder „sozial“ ist. Vielmehr wird das Risiko von Vermögens-, Finanz- oder Reputationsschäden infolge von Umwelt- und sozialen Risiken gemessen. Die Klimaerwärmung stellt zum Beispiel ein Nachhaltigkeitsrisiko für Investitionen in Agrarbetriebe dar, wenn infolge von klimaänderungsbedingten Dürreperioden mit einer geringeren Ertragslage zu rechnen ist. Ob der Agrarbetrieb selbst nachhaltig wirtschaftet, ist eine damit nicht zwingend verbundene Frage.

Taxonomie-Verordnung

Eine Wirtschaftstätigkeit gilt für die Zwecke der Taxonomie-Verordnung als ökologisch nachhaltig, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer Umweltziele leistet, nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer Umweltziele führt, unter Einhaltung des Mindestschutzes ausgeübt wird und technischen Bewertungskriterien entspricht. Die Taxonomie-Verordnung kennt dabei folgende Umweltziele an:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

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Gebote und Offenlegung

Nachhaltigkeit ist eher ein „Angebot“ als „Verbot“. Die Bedeutung des Nachhaltigkeitsregimes folgt primär aus einem zu erwartenden, wirtschaftlichen Druck auf Emittenten und Marktteilnehmer. Primäres Mittel, um Anreize zu setzen, ist dabei die Offenlegung von Informationen.

Nachhaltige Finanzprodukte

Die Disclosure-Verordnung (auch: Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR) regelt den Vertrieb von Finanzprodukten. Verpflichtete sind Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. Sie findet primär auf die in der Verordnung definierten Produkte Anwendung; erfasst jedoch partiell alle Arten von Finanzinstrumenten. Anders als die Taxonomie-Verordnung ist die Realwirtschaft nicht im Anwendungsbereich. Nicht-Finanzunternehmen werden daher nur von der Taxonomie-Verordnung erfasst. 

Die Disclosure-Verordnung verpflichtet Finanzmarktteilnehmer und -berater zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen. Differenziert wird dabei nach der Art der erbrachten Dienstleistungen und des Finanzprodukts. Zu unterscheiden ist die Offenlegung auf Produktebene und Unternehmensebene. Erstere erfolgt typischerweise durch vorvertragliche Informationen. Letztere über das Internet.

Finanzmarktteilnehmer und -berater sind verpflichtet, in vorvertraglichen Informationen ausdrücklich darüber aufzuklären, ob und zu welchem Umfang ein Finanzprodukt nachhaltig ist, und ob die Nachhaltigkeit den Vorgaben der Taxonomie-Verordnung entspricht. Dies ist schon dann nicht mehr der Fall, wenn der Mindestschutz nach Maßgabe der Taxonomie-Verordnung nicht eingehalten wird. Im Übrigen führt die Disclosure-Verordnung für Finanzmarktteilnehmer eine regelmäßige Berichtspflicht über nachhaltige Investitionen und Produkte ein. Die Berichterstattung ist vergangenheitsbezogen (ex-post Reporting): sie dient dazu offenzulegen, ob die mit einem Finanzprodukt verfolgten Ziele auch tatsächlich erreicht wurden.

Finanzprodukte

Die Disclosure-Verordnung findet auf nachhaltige und nicht nachhaltige Finanzprodukte Anwendung – differenziert jedoch in den Rechtsfolgen. Zu unterscheiden sind Produkte, mit dem nachhaltige Investitionen angestrebt werden, Produkte, die unter anderem mit ökologischen oder sozialen Merkmalen beworben werden, und sonstige Produkte.

Zusammenfassung

Die Disclosure- und Taxonomie-Verordnung sind in ihren Interaktionen und Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Sie beeinflussen die gesamte Wertschöpfungskette. Emittenten werden künftig die Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftstätigkeiten darlegen – inklusive erforderlicher Kennzahlen. Das Angebot und die Nachfrage für Finanzinstrumente werden neu zusammenfinden – auch vor dem Hintergrund, dass der Markt an nachhaltigen Finanzprodukten zunächst sehr eng sein wird. 

Das neue Regime tritt sukzessive in Kraft. Seit März 2021 findet die Disclosure Verordnung und seit 2022 die Taxonomie-Verordnung für die Umweltziele Umweltschutz und Klimawandel Anwendung. Für alle übrigen Umweltziele tritt die Taxonomie-Verordnung ab 2023 in Kraft.

Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Rechtsberatung dar und kann diese nicht ersetzen.