Blockchain im Finanzsektor
Die Blockchain wird den Finanzsektor nachhaltig verändern und Grundlage für neue Marktstrukturen bilden. Ein EU-weit harmonisierter, kohärenter Regulierungsrahmen soll geschaffen werden mit dem Ziel, das in der Blockchain-Technologie ruhende Innovations- und Wachstumspotenzial zu heben und Risiken im Finanzsystem zu verringern. Die Europäische Kommission legte daher 2021 ein Gesetzespaket zur Digitalisierung des Finanzsektors vor, das Europa besser auf dieses digitale Zeitalter vorbereitet soll. Hier stellen wir die Inhalte des Gesetzespakets und dessen Auswirkungen genauer dar.
EU-Paket zur Digitalisierung des Finanzsektors
Bereits heute werden einige Kryptowerte von der Finanzmarktregulierung erfasst. Dies trifft v.a. auf solche Werte zu, die sich wie Wertpapiere verhalten - sog. Securities Token. Für sie gilt - wie auch für klassisch verbriefte Wertpapiere - die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID). Der gewerbliche Handel oder die Beratung in solchen Werten ist in den meisten Fällen erlaubnispflichtig.
Im Übrigen fehlte es jedoch bislang an einer EU-weit einheitlichen Regulierung (vorbehaltlich einiger geldwäscherechtlicher Vorgaben), insbesondere zum Betrieb von Kryptobörsen und zum Umtausch von Kryptowerten in gesetzliche Zahlungsmittel oder andere Kryptowerte. Das neue EU-Gesetzespaket zur Digitalisierung des Finanzsektors enthält daher primär Vorgaben für Kryptowerte, die bislang nicht von der Finanzmarktregulierung erfasst werden (z.B. Utility Token, Stable Coins, E-Geld-Token), Anforderungen an die Anbieter von DLT-Marktinfrastrukturen und an die Sicherheit und Verlässlichkeit der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bei Finanzunternehmen. Die entsprechenden Gesetzestexte liegen partiell im Entwurf vor, teilweise sind sie bereits verabschiedet:
- Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA) - Entwurf,
- Verordnung (EU) 2022/2554 über die digitale Resilienz im Finanzsektor (DORA),
- Verordnung (EU) 2022/858 über ein Pilotregime für DLT-Infrastrukturen (Pilotregime)
Utility Token, Stable Coins, E-Geld-Token
Die MiCA regelt künftigen den Rahmen für Emissionen in Kryptowerten, die keine Finanzinstrumente sind. Sie erfasst v.a. Utility-Token, Stable Coins und E-Geld-Token. Investoren sind über die Merkmale, Funktionen und Risiken dieser Kryptowerte zu informieren. Statt eines Prospekts ist ein sog. Kryptowert-Whitepaper zu erstellen, das über die mit den Kryptowerten verbundenen Rechte und Pflichten, verwendete Technologien und die damit verbundenen Risiken informiert.
Utility Token
Utility Token sind Kryptowerte, die dazu dienen, digitalen Zugang zu einer auf DLT verfügbaren Ware oder Dienstleistung zu ermöglichen und nur vom Emittenten akzeptiert werden.
Sie sind keine Vermögensanlage und kein Finanzinstrument und können typischerweise nicht für Investmentzwecke zur Geldanlage verwendet werden.
Emittenten von Utility-Token unterliegen primär dem Prospektrecht entlehnten Vorgaben zur Veröffentlichung eines Kryptowert-Whitepaper.
Stable Coins
(wertreferenzierte Token)
Stable Coins sind Kryptowerte, die darauf abzielen, wertstabil zu bleiben, indem sie z.B. mehrere Währungen oder Waren als Bezugsgrundlage verwenden.
Ziel dieser Token ist es, als Zahlungsmittel oder Wertaufbewahrungsmittel eingesetzt zu werden. Wertreferenzierte Token stehen in Konkurrenz zu den klassischen Währungen.
Die Emittenten von Stable Coins unterliegen künftig zzgl. einer Zulassungspflicht, wenn für die Coins ein öffentliches Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz für Kryptowerte erfolgen soll.
E-Geld-Token
E-Geld-Token sind Kryptowerte, die in erster Linie als Zahlungsmittel dienen und zwecks Wertstabilisierung nur an eine Nominalgeldwährung geknüpft sind.
Sie ähneln in ihrer Funktion E-Geld und sind ebenso elektronisches Surrogat für Münzen und Banknoten. Anders als Stable Coins sind sie streng an nur ein gesetzliches Zahlungsmittel gekoppelt. Auf Verlangen des Token-Inhabers ist der Emittent verpflichtet, den monetären Wert der E-Geld-Token jederzeit und zum Nennwert an die Inhaber von E-Geld-Token zurückzuzahlen.
Emittenten von E-Geld-Token bedürfen der Zulassung. Sie unterliegen strengen Vorgaben.
Krypto-Dienstleistungen
Die MiCA regelt auch die Erbringung von Dienstleistungen in Kryptowerten – sogenannte Krypto-Dienstleistungen. Hierzu zählen der Betrieb entsprechender Handelsplattformen, der Tausch von Kryptowerten in Nominalgeldwährungen / andere Kryptowerte sowie die Verwahrung oder Verwaltung von Kryptowerten. Erfasst wird auch die Platzierung von Kryptowerten, die Annahme und Übermittlung von Aufträgen über Kryptowerte und die Beratung in Kryptowerten.
Wer derartige Krypto-Dienstleistungen geschäftsmäßig erbringt, bedarf künftig als „Anbieter von Krypto-Dienstleistungen“ einer Zulassung. Zugelassene Krypto-Dienstleister sind z.B. verpflichtet, Vorgaben zur sicheren Aufbewahrung von Kundenvermögenswerten, zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, zu Interessenkonflikten und an die Auslagerung umzusetzen und einzuhalten. Die Höhe der regulatorisch erforderlichen Eigenmittel richtet sich nach der Art der erbrachten Krypto-Dienstleistung. Besonderes Augenmerk gilt der IT-Sicherheit und IT-Stabilität, inklusive der Notfallplanung.

Verhinderung von Marktmissbrauch
Für Kryptowerte wird ein neues Marktmissbrauchsregime geschaffen, bestehend aus Regeln zum Insiderrecht und zur Marktmanipulation. Die neuen Vorgaben ergänzen die bereits seit mehreren Jahren geltende Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation - MAR) für den Bereich der Kryptowerte, die keine Finanzinstrumente sind.
Pilotregime für DLT-Marktinfrastruktur
Die Verordnung (EU) 2022/858 vom 22. Mai 2022 führt in der EU ein Pilotregime für die Zulassung und den Betrieb von DLT-Marktinfrastrukturen ein, das im Wesentlichen ab dem 23. März 2023 Anwendung finden wird.
Zielgruppe sind Wertpapierfirmen, Börsenträger und Zentralverwahrer (Central Securities Depository – CSD), die DLT zum Einsatz bringen wollen. Der Anwendungsbereich des Pilotregimes ist stark beschränkt. Marktinfrastrukturen, die von dem Regime Gebrauch machen, bedürfen einer gesonderten Erlaubnis, die zunächst grundsätzlich nur befristet für max. 6 Jahre erteilt werden darf. Während dieser Zeit können spezielle Befreiungen von den sonst für Handelsplätze und Wertpapierabwicklungssysteme geltenden Vorschriften erteilt werden. So sieht das Pilotregime u.a. die Möglichkeit vor, Ausnahmen von Transaktionsmeldungen und von der Einbuchung in den Effektengiro zu gewähren. Dadurch wird der Handel mit DLT Finanzinstrumenten erleichtert. Für die Zulassung von DLT-Finanzinstrumenten gelten folgende Schwellenwerte:
- Aktien: EUR 500 Mio. (Marktkapitalisierung des Emittenten),
- Unternehmensanleihen: EUR 1 Mrd. (Emissionsvolumen),
- OGAW: EUR 500 Mio. (Marktwert)
Der Gesamtmarktwert aller DLT-Finanzinstrumente, die zum Handel auf einer DLT-Marktinfrastruktur zugelassen sind oder in einer DLT-Marktinfrastruktur verbucht werden, sollte darüber hinaus 9 Mrd. EUR nicht überschreiten. Wird dieser Schwellenwert überschritten, ist grundsätzlich der Übergang aus dem Pilotregime heraus einzuleiten (Übergangsstrategie).
Resilienz digitaler Systeme und der Infrastruktur
Im Dezember 2022 veröffentlichte die EU Vorgaben an die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor, über ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau und die Resilienz kritischer Einrichtungen. Die Regelungen adressieren die Betriebsstabilität digitaler Systeme, Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Meldungen schwerwiegender Vorfälle, Auslagerungen sowie Prüfungen und den Austausch von Informationen in Bezug auf Cyberbedrohungen und Schwachstellen. Sie haben besondere Bedeutung für die Kryptowelt und damit verbundene Risiken.

Securities Token
Securities Token werden bereits heute von der Finanzmarktregulierung, insbesondere der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), erfasst. Die Rechtslage war jedoch bei Erscheinen der ersten Securities Token im Markt zunächst nicht abschließend geklärt. Im Rahmen der Verordnung (EU) 2022/858 wurde nunmehr klargestellt, dass der Begriff des Finanzinstruments technologieneutral zu verstehen ist, insbesondere keine klassische Verbriefung in einer Urkunde voraussetzt.
Rechtslage in Deutschland
Einige EU-Mitgliedstaaten haben ihr nationales Recht vorauseilend bereits weiterentwickelt oder verfügen historisch über Regelungen, die über das EU-Recht hinausgehen. So trat mit Wirkung zum 10. Juni 2021 in Deutschland z.B. das Gesetz zur Einführung elektronischer Wertpapiere (eWpG) in Kraft. Seitdem besteht die Möglichkeit, auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen und bestimmte Anteile an Sondervermögen auch rein elektronisch als Wertpapier und nicht nur als Wertrecht zu begeben. Elektronische Wertpapiere können auch als Kryptowertpapiere emittiert werden. Sie sind dann in einem speziellen Kryptowertpapierregister durch ein vom Emittenten benanntes Unternehmen zu führen.
- Kryptowährungen, wie Bitcoin oder Ether, werden in Deutschland typischerweise als Rechnungseinheiten eingestuft. Damit ist die gewerbliche Erbringung von Bank- und Finanzdienstleistungen in solchen Werten – inklusive des Betriebs von Handelsplattformen – erlaubnispflichtig. Dies gilt auch für die zielgerichtete, grenzüberschreitende Erbringung solcher Dienstleistungen aus dem Ausland nach Deutschland hinein.
- Securities Token werden bereits auf EU-Ebene (MiFID) als Finanzinstrumente eingestuft, sofern sie sich wirtschaftlich wie Finanzinstrumente (insbesondere Wertpapiere) verhalten. Die gewerbliche Erbringung von Wertpapierdienstleitungen in diesem Bereich ist daher erlaubnispflichtig. Dies gilt in Deutschland – anders als in anderen EU-Mitgliedstaaten – bereits für die reine Verwahrung und Verwaltung solcher Instrumente (Depotgeschäft).
- Wallet-Betreiber, die Kryptowerte – d.h. zugehörige kryptografische Schlüssel – verwahren und verwalten, betreiben das Kryptoverwahrgeschäft und sind insoweit erlaubnispflichtig. Diese Erlaubnis tritt jedoch ggf. hinter einer Erlaubnis für das Depotgeschäft zurück.
- Kryptowertpapiere sind nach Maßgabe des eWpG in einem Kryptowertpapierregister zu führen. Der Betrieb dieses Registers ist erlaubnispflichtig für den Betreiber.